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  • AutorenbildDieter Maiwert

Und übrig bleibt bloß Geschmack

Wir sollten Ihnen dankbar sein, diesen kompromisslosen Kreuzrittern der Papillen. Ein Gast, der sich von der Ästhetik nicht blenden lässt, wird sie nach aufgegangener Verheißung würdigen, umgekehrt aber wohl kaum. Für die Optik gibt es Foodstylisten, die mit kleinen Zahnstochern die Scampi in graziler Drehung halb in von Chemikalien stabilisierten Schäumen von Irgendetwas versenken oder Carpaccio mit Haarspray lackieren. Nur Nichtsahnende naschen am Set vom optischen Blendwerk, das für perforierte Speiseröhren sorgt und Stimmbänder hochglänzend toupiert. Zwar sind weder Kleb-, noch sonstige oder gar hölzerne Inhaltsstoffe bei auch nur einem meiner Kollegen zu befürchten -und sollte es so sein, war das sicherlich kein Versuch die Optik zu retten - jedoch ist die bloße Abwesenheit von Gefahr Grund genug sich Sinnlosem auszusetzen" Denn Gefahr läuft man immer noch: Viel zu sehen und nichts zu schmecken. Dass solche Geschmacklosigkeiten dennoch nicht verwundern, ist auch den zahlreichen Gastroführern zu verdanken. Wer weiß schon immer so genau, ob er fünf Sterne (oder waren das die Hotels?), wie viele Punkte und Mützen oder Noten, welche Anzahl an F´s oder sonstiger Buchstaben des Alphabets er gegessen hat". Oder war es doch lediglich eine Buchstabensuppe? Wer Gastronomieführer und deren Kritiken einordnen können will, der muss eine jahrelange Lektüre ebendieser hinter sich haben um genusspolitische Standpunkte mit ihren individuellen Formulierungen selbst bewerten zu können. Hinzu kommen zahlreiche wie zuweilen hintergrundlose Social-Media-Reporter, die auf den diversen Portalen einschlägige Hinweise zur Güte der örtlichen Gastronomie geben. Über die erstaunlich differenzierten freut sich der Koch. Plage bleiben sie aber für die meisten der Zunft doch. In mehrfach mit Sternen bewerteten Restaurants befindet sich mit hoher Wahrscheinlichkeit jeden Abend ein Kritiker gleich welcher Couleur. Ständig auf dem Prüfstand zu stehen ist auch für den begnadetsten Koch eine Bürde. Köche, die nicht mal ein anständiges Gulasch beherrschten und schon bei den drei Aggregatzuständen von Wasser in Verzückung gerieten, suchten Ihre Gäste mit der mittlerweile in der Halbwertszeit befindlichen „Molekularküche" zu vergiften. Und auch optisch

aufwändigere und ausgefeiltere überzeugen. Kontraste, oft klug kombiniert und zurück zur

Harmonie geführt, aber manchmal eben auch plump und nur um bloßen Effekt wegen verbunden, sollen überraschen.

Ungeübten Gaumen bleibt beides verschlossen. Denn dieser würde in einem hochdotierten Restaurant eine für Ihn disharmonische Kreation nicht als solche zu deklarieren wagen und sich selbst somit möglicherweise als vermeintlich Unwissend darstellen. Viel Qualm, oft auch im wörtlichen Sinne, für nichts? Gut, dass mittlerweile der aufgeklärte Gast im Spiel ist.

Informiert über Garmethoden und -Zeiten, Herkunftsorte und bestückt mit solider Warenkunde lässt er sich nicht länger durch falsche Magier der Küche täuschen. Er analysiert Aromen, legt

den bloßen Effekt mit geübtem Griff beiseite, seziert die Komposition und dann ist seine größte Waffe nur noch sein Gaumen. Der Gast von heute zwingt die Köche, sich auf ihr Metier zurück zu besinnen. Sicherlich können Anleihen in Architektur, Physik und Chemie hilfreich sein, aber nur, wenn sie sinnvoll für den Gast sind. Pragmatismus kehrt zurück an den Herd. Was nicht schmeckt, taugt nichts. Und das ist gut so!

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